Zu Wolfgang Eberls Malerei


Der Reiz der in diesem Katalog versammelten Bilder besteht auf den ersten Blick darin, dass sich in ihnen eine mehr als zehnjährige Arbeit Wolfgang Eberls manifestiert, die fernab von Kulturbetrieb und jeglicher Öffentlichkeit stattfand. Es ist sehr selten und daher ungemein interessant, wenn ein Künstler die Kraft und überhaupt die existenzielle Möglichkeit hat, über Jahre hinweg nur seinem Instinkt und Entfaltungswillen zu gehorchen. Denn wie häufig ist das Gegenteil der Fall: dass junge Künstler, noch bevor sie ihre innere Stimme überhaupt jemals vernommen haben, sich schon eine Masche, ein formales Kalkül zurechtgelegt haben, das ihnen Aufmerksamkeit, Erfolg und Geld bringen soll. Wolfgang Eberls Programm dagegen ist künstlerische Autarkie, nichts findet sich in seinen Bildern, das diesen äußerlich wäre, keine ausgeborgten Kunstgriffe, keine nachgeäffte oder variierte Manier. Der erste Eindruck beim Durchblättern der vorliegenden Zusammenstellung ist der einer kompakten Einheit.

Das Ganze hat etwas von einem Findling, der in geringem Zusammenhang zur kunstgeschichtlichen und kulturbetrieblichen Umgebung steht, sondern aus sich selbst heraus lebt. Möchte man die zutage getretenen Bilder prägnant charakterisieren, so könnte man sagen, dass es sich um "gegenständliche Malerei" handelt. Unter der Voraussetzung freilich, dass man diesen Begriff nicht als abgedroschenes Schlagwort auffasst, sondern ihn wörtlich nimmt. Eberl geht es um den "Gegenstand", die "gegenständliche Welt". Wenig hat seine Arbeit allerdings zu tun mit einer "gegenständlichen Malerei", die die Gegenstände nur als Manövriermasse eines subjektivistischen Jonglierens mit Metaphern und Symbolen auffasst. Eberl erzählt keine Geschichten, offeriert keine verklausulierten Weltdeutungen, er nimmt sich die Gegenstände vor, versenkt sich in sie, malt über die = Erscheinungsform hinausgehend ihr Sein, ihre Präsenz, ihre Eindringlichkeit als von vornherein zum "Objekt" gehörig. Er überwindet damit - auch für den Betrachter - jene Distanz, die uns von der Welt der "Objekte" zu trennen scheint und die den "Realismus" in der Malerei so oft mit einem schalen, öden Beigeschmack versieht.

Dass die Inständigkeit des Malerblicks auf seine Gegenstände ästhetische Wirkungen erschließt, die die Moderne und ihre Errungenschaften in das Spiel der Farben und Formen mit hereinnehmen, zeigt die letztlich pragmatische Vorgangsweise Eberls, dem es nicht darum geht, modern, unmodern oder postmodern zu sein, sondern um die Darstellung des Gesehenen und sehend Erlebten. Gerade angesichts der zeitgenössischen Bilderfluten und der allgemeinen Wahrnehmungsverdrossenheit scheint das Aufschlüsseln und Entblättern der sichtbaren Welt durch Wolfgang Eberl ein bedeutender Vorgang zu sein. Fremd ist Eberls Bildern jene ratlos biedere Rückbesinnung auf altmeisterliche Kunstfertigkeit, die in unserer Zeit überraschenderweise wieder salonfähig geworden ist. Eberls Strich zeugt zwar von Übung, von äußerster Feinnervigkeit, wird aber nie zu kühler, intransigenter Versiertheit; dieser Strich scheint, trotz aller raumgreifenden Sicherheit, in jedem Moment dafür offenzubleiben, sich von der Naturform überraschen oder auch eines Besseren belehren zu lassen. Dass seine Bewältigung der Gegenstände eine ist, die auch scheitern könnte und also jedes Mal wieder auf Messers Schneide steht und dort auch stehen bleibt, verleiht diesen Bildern eine Spannung, die auf den Betrachter überspringt.

Und wie um zu verdeutlichen, dass ihm nicht daran gelegen ist, im herkömmlichen Sinn etwas zu sagen, verzichtet Eberl - zumindest einstweilen noch - auf selbst komponierte Figurenkonstellationen und variiert stattdessen Bilder Alter Meister. Diese Variationen oder Transformationen beispiellos in der zeitgenössischen Malerei, führen exemplarisch oder verdichtet die Arbeitsweise des Autors vor und verdeutlichen zugleich sein entspanntes Verhältnis zur Tradition. Die Vor-Bilder werden bedingungslos ernst genommen und ergründet, zugleich jedoch ins Hier und Jetzt übertragen und damit dem heutigen Betrachter neu gezeigt. So verbinden sich Reverenz und selbstbewusste künstlerische Eigenständigkeit.

Peter Oberdorfer